Im vergangenen Winter blieb die befürchtete Energiemangellage aus. Was bewirkten die Sparappelle in der Region Grenchen? Und wie bereitet sich die SWG auf den kommenden Winter vor? Antworten von Ronny Leuenberger, Leiter Energie und Vertrieb.
Wie ist die Energieversorgung im vergangenen Winter aus Sicht der SWG verlaufen?
Ronny Leuenberger: Im Herbst 2022 herrschte eine grosse Nervosität – bei vielen Firmen und Privatpersonen genauso wie bei uns. Dank der milden Temperaturen im Spätherbst und in den Wintermonaten hat sich die Situation aber schnell entspannt. Denn dadurch blieben die Gasspeicher in den Nachbarländern gut gefüllt. Und es wurde klar: Die Stromproduktion reicht, um ohne Notmassnahmen durch den Winter zu kommen.
Der Bund forderte die Bevölkerung und die Wirtschaft mit einer Kampagne auf, Energie zu sparen. Wie hat sich dies ausgewirkt? Haben die Haushalte und Unternehmen in Grenchen im vergangenen Winter tatsächlich weniger Strom und Gas verbraucht?
Ja, wir nahmen diese Sparanstrengungen wahr. Im Vergleich zum vorherigen Winter setzten wir 19% weniger Gas ab, was natürlich auch den milden Temperaturen zu verdanken ist. Wetterbereinigt senkten die Sparbemühungen den Gasverbrauch um rund 5%. Beim Strom nahm die gelieferte Menge um 2% ab. Diese Reduktion ist vor allem auf die Sparmassnahmen der Bevölkerung und der Firmen zurückzuführen. Die Temperaturen beeinflussen den Stromverbrauch in Grenchen noch nicht stark, da erst relativ wenige Wärmepumpen im Einsatz sind.
Welchen Beitrag leisteten die Grenchner Firmen zu diesen Sparresultaten?
Einen wichtigen Beitrag, vor allem beim Gas. Im Herbst informierten wir die Betreiber von Zweistoffanlagen – diese können sowohl Gas als auch Heizöl nutzen – über die drohenden Engpässe in der Gasversorgung. Dabei gaben wir ihnen auch die Empfehlung des Bundes weiter: Wem es möglich war, sollte seine Anlagen von Gas auf Öl umschalten. Viele Firmen folgten dieser Empfehlung. Das lag auch an den Preisen: Heizöl war deutlich günstiger als Gas.
Welche Lehren ziehen Sie aus dem vergangenen Winter?
Eine der wichtigsten Lehren lautet: Wir müssen unsere Notfallkonzepte laufend aktualisieren. Zwar war uns schon immer bewusst, dass unter bestimmten Umständen eine Energiemangellage auftreten kann. Deshalb gibt es seit Langem die «Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen» (OSTRAL) des Bundes und der Energiebranche. Wie wohl die meisten Schweizer Energieunternehmen haben wir das Thema aber zu wenig aktiv bewirtschaftet. Inzwischen sind wir und die ganze Branche viel besser vorbereitet. Wir treffen uns vierteljährlich im Rahmen der OSTRAL, um uns auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Auch in den Bereichen Gas und Wasser haben wir die Notfallkonzepte aktualisiert und halten sie laufend à jour.
Wenn Sie auf die kommenden Monate schauen: Wie schätzen Sie die Lage im nächsten Winter ein?
Im Gasbereich hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr deutlich stabilisiert. Das ist den grossen Anstrengungen der Schweizer Gasbranche bei der Gasbeschaffung zu verdanken. Über die europäischen Vorlieferanten beziehen wir heute Gas aus verschiedenen Ländern. Möglich ist dies, weil in unseren Nachbarländern die Infrastruktur für Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas/LNG) aufgebaut wurde. LNG wird zum Beispiel in Deutschland mit Schiffen angeliefert, wieder in den gasförmigen Zustand gebracht und ins Gasnetz eingespeist. Mittlerweile deckt die Schweiz rund 35% ihres Gasbedarfs mit LNG und bezieht nur noch wenig Gas aus Russland. Hinzu kommt: Die europäischen Gasspeicher werden bis zum Beginn der Heizsaison gefüllt sein. Das bringt Ruhe in den Gasmarkt.
Und wie sieht die Situation beim Strom aus?
Für die Stromversorgung ist eine Einschätzung schwieriger, weil mehrere unsichere Einflussfaktoren bestehen. Erstens ist ungewiss, wie viele französische Kernkraftwerke in den Wintermonaten am Netz sind und Strom liefern. Zweitens hat Deutschland im vergangenen Frühling die letzten drei Kernkraftwerke abgeschaltet – auch da sind die Auswirkungen schwer abzuschätzen. Drittens beeinflusst das Winterwetter den Füllstand der Schweizer Stauseen. Trotz dieser Unsicherheiten bin ich optimistisch, dass sich eine Strommangellage erneut vermeiden lässt. Denn mit der Wasserkraftreserve in mehreren Stauseen und den drei grossen Reservekraftwerken hat die Schweiz wirkungsvolle Massnahmen gegen eine Stromlücke umgesetzt.
Mit welchen Massnahmen bereitet sich die SWG auf den kommenden Winter vor?
Alle für den letzten Winter ergriffenen Massnahmen helfen uns auch in diesem Winter. Als Vorbereitung simulieren wir die Abschaltung des regulären Stromnetzes und den Betrieb wichtiger Anlagen mit Dieselgeneratoren. Unter anderem führen wir diese Tests bei den Pumpwerken der Wasserversorgung durch.
Die Situation bei der Strom- und der Gasversorgung hat sich insgesamt also entspannt. Ist es überhaupt noch nötig, im kommenden Winter Energie zu sparen?
Ja, auf jeden Fall. Die Sparmassnahmen von Firmen und Haushalten sind ein wichtiger Pfeiler der Strategie des Bundes gegen eine Energiemangellage. Besonders beim Strom werden wir noch längere Zeit Energie sparen müssen, bis wir genügend einheimische Produktionskapazitäten aufgebaut haben und im Winter weniger abhängig von Energieimporten sind. Dazu braucht es vor allem die Windkraft, die Wasserkraft und vermehrt Solaranlagen in den Bergen.
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