Beim Recycling gehört die Schweiz zu den europäischen Spitzenreitern. Das liegt auch daran, wie einfach das korrekte Entsorgen hierzulande ist. Im Entsorgungszentrum der Schlunegger Recycling AG in Grenchen lassen sich besonders viele verschiedene Wertstoffe anliefern – zum grossen Teil sogar gratis. Dieses Angebot kommt an, wie ein Besuch zeigt.
Mit fragendem Blick nähert sich eine ältere Dame. Sie trägt eine Kiste voller Kartonabfälle. «Wo kommt das hin?», will sie von Thomas Schlunegger wissen. «Stellen Sie die Kiste einfach vor den Container mit dem Papier. Jener für den Karton fehlt gerade, weil er geleert wird», antwortet ihr der Geschäftsleiter der Schlunegger Recycling AG. Einmal pro Monat arbeitet er hier im Entsorgungszentrum Grenchen mit, das sein Unternehmen im Juli 2018 eröffnet hat. «So bin ich nahe bei den Kunden und komme ins Gespräch mit ihnen», sagt Thomas Schlunegger. «Ich sehe, was gut läuft und was wir noch verbessern müssen.»
Das Entsorgungszentrum ist in zwei Bereiche ein geteilt: Im ersten werden die kostenpflichtigen Entsorgungsgüter angenommen – zum Beispiel Sperrgut, Altholz und Bauschutt. Deutlich mehr los ist heute im zweiten Bereich, wo sich die meisten Güter gratis entsorgen lassen. Auto um Auto fährt vor, biegt in eines der Parkfelder ein. Die Fahrerinnen und Fahrer laden unter anderem Altglas, Alteisen und Altpapier aus, werfen alles in die grossen Container. Mengenmässig entsorgen sie am meisten Papier, durchschnittlich mehr als eine Tonne pro Tag. Auch viele Kleider und Schuhe bringen sie mit, etwa eine Tonne pro Woche. «Für einige Entsorgungsgüter wie Papier und Elektroschrott erhalten wir eine Entschädigung, für andere wie Karton nicht.» Keine Frage: Die anfängliche Skepsis der Grenchner Bevölkerung ist verflogen. Das Entsorgungszentrum bewährt sich.
Aus der ganzen Region
Es ist bereits das zweite dieser Art der Firma Schlunegger. Vor 15 Jahren entstand jenes in Büren an der Aare. Da es rege genutzt wurde, hielt das Unternehmen nach einem zweiten Standort Ausschau. In Grenchen fand es ihn. Die Stadtverwaltung wollte ihre Sammelstelle auf dem Werkhof ohnehin schliessen und suchte einen Betreiber für ein privates Entsorgungszentrum. So kam man ins Gespräch. Als Standort schlug die Stadt Grenchen Thomas Schlunegger das Grundstück an der Leuzigenstrasse vor. «Die gut erreichbare Lage ist für uns optimal. Schliesslich sind wir auf Anlieferer aus der ganzen Region angewiesen. Und für den eigenen Muldenservice ha ben wir nun kürzere Wege, weil wir unsere Mulden hier leeren können.»
Thomas Schlunegger unterbricht das Gespräch und geht auf einen Mann zu, der gerade die leere Verpackung eines Fernsehers aus dem Auto genommen hat. Durch die geöffneten Flügel der Kiste sind Kunststofffolie und Styroporteile zu sehen. «So können Sie die Schachtel nicht beim Karton entsorgen», erklärt Thomas Schlunegger dem Kunden. «Stecken Sie das Füllmaterial in einen Kehrichtsack.» Solche Hinweise gehören zum Alltag im Entsorgungszentrum. Pro Schicht arbeiten zwei Angestellte auf dem Areal: Einer sortiert die entsorgten Gegenstände, der andere hilft den Kundinnen und Kunden. Dank des innovativen Wägesystems braucht es keinen Mitarbeiter zum Einkassieren. Bezahlt wird per Karte.
Markt für Abfälle
Apropos bezahlen: Zwei Millionen Franken hat das Entsorgungszentrum die Schlunegger Recycling AG gekostet. Lohnt sich diese Investition? Lässt sich mit Abfall Geld verdienen? «Für einige Entsorgungsgüter wie Papier und Elektroschrott erhalten wir eine Entschädigung, für andere wie Karton nicht», sagt Thomas Schlunegger. «Die Wirtschaftlichkeit unserer Anlage hängt nicht zuletzt von den weltweiten Markt preisen für Abfälle ab, etwa für Plastikabfall. Weil China weniger davon nachfragt, sind die Preise gesunken.» Der Unternehmer sieht sein Zentrum aber auch als Marketingmassnahme für die übrigen Dienstleistungen: «Seit man uns in Grenchen besser kennt, erhalten wir viel mehr Aufträge für den Muldenservice und für Hausräumungen.»
Um das Entsorgungszentrum zu realisieren, brauchte es nicht nur das gute Einvernehmen mit der Stadt Grenchen, sondern genauso die Betriebsbewilligung des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit. Zu den baulichen Vorgaben gehörte, Schächte und Filterelemente im Boden zu verlegen. Damit lässt sich das Areal entwässern und das gesammelte Wasserfiltern – eine wichtige Sicherheitsmassnahme, weil im Zentrum auch Sondermüll wie Altöl und Batterien entsorgt wird.
Gespür für Kunden
Ums Recycling der Materialien kümmern sich Spezialfirmen. Beim Elektroschrott etwa übernimmt es eine soziale Stiftung, die wertvolle Metalle wie Kupfer zurückgewinnt und wieder in den Stoffkreislauf ein speist. Die Mitarbeiter der Firma Schlunegger verarbeiten also keine Entsorgungsgüter. Dennoch müssen sie darüber Bescheid wissen und haben eine Schulung zum Sortieren der Materialien und zum Umgang mit Gefahrengut absolviert.
Neben solchen Fachkenntnissen zählen im Entsorgungszentrum Kontaktfreudigkeit und ein gutes Gespür dafür, trotz der sehr unterschiedlichen Kunden immer den richtigen Ton zu treffen. Thomas Schlunegger fällt es leicht. Freundlich spricht er einen Mann an, der gerade aus seinem Auto steigt und den Kofferraum öffnet: «Ich gebe Ihnen einen Tipp: Parkieren Sie das nächste Mal doch rückwärts ein. Dann brauchen Sie mit Ihren Sachen weniger weit zu laufen.»