Radsportler aus der ganzen Welt schätzen das Tissot Velodrome in Grenchen als optimalen Trainingsort. Was braucht es, um eine solche Sportstätte auf höchstem Niveau zu betreiben? Geschäftsführer Peter Wirz gewährt einen Blick hinter die Kulissen.
Zwei Männer im Velodress gehen die Rampe Richtung Rennbahn hoch. Der eine hat seine Hand auf den Arm des anderen gelegt. Gemeinsam steigen sie aufs Rennrad-Tandem und treten in die Pedale. Sie beschleunigen immer weiter auf 40, 50, 60 Stundenkilometer. Runde um Runde drehen sie auf der Holzrennbahn des Tissot Velodrome – perfekt aufeinander abgestimmt. Kaum zu glauben: Der hintere Fahrer ist stark sehbehindert. Er vertraut dem Fahrer vor ihm buchstäblich blind.
Paracycling nennt sich der Radsport von körperlich eingeschränkten Athletinnen und Athleten. Er gehört zu den zahlreichen Sportarten im Tissot Velodrome. Hier auf der Holzrennbahn trainieren neben internationalen Profis auch viele Amateure. Rund 600 Fahrerinnen und Fahrer jeden Alters nutzen regelmässig das einzige überdachte Velodrome der Deutschschweiz, oft schon morgens noch vor der Arbeit. Etliche davon sind ambitioniert, mit bestem Material ausgerüstet und extrem fit. «Unser ältester Fahrer ist über 80 Jahre alt», erzählt Geschäftsführer Peter Wirz.
Ab auf die Bahn
Damit die «Gümmeler» auf der Holzrennbahn des Tissot Velodrome trainieren dürfen, besuchen sie einen dreiteiligen Bahnkurs. Dabei stellen sie unter Beweis, dass sie die Regeln beherrschen. Sobald sie die Bahnreife erlangt haben, können sie ein Abo kaufen. Die Einnahmen davon sind ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells von Peter Wirz und seinem Team, aber nicht der einzige. «Die Seele unseres Hauses ist die Holzrennbahn. Wir benötigen jedoch alle Räume, damit sich unser Betrieb rechnet – Mehrzweckhalle,Fitnessraum, Restaurant und die 14 günstigen Hotelzimmer.»
Zu einer Erfolgsgeschichte hat sich etwa das Mittagsgeschäft im Restaurant entwickelt, das seit zwei Jahren von der SV Group betrieben wird. «Ich wünsche mir, dass das Tissot Velodrome noch stärker zu einem Treffpunkt für die Bevölkerung aus der Region wird», sagt Peter Wirz. «Wir sind ein offenes Haus. Bei uns kann man ohne Anmeldung reinkommen, zuschauen, etwas trinken und die Stimmung geniessen.»
Dabei ist für Spektakel gesorgt. Denn anders als bei Strassenrennen sehen die Besucherinnen und Besucher die Fahrer vom Anfang bis zum Schluss aus der Nähe. «Für die Fahrer bedeutet diese dauernde Beobachtung einerseits einen Stressfaktor. Doch andererseits spielt die Fangemeinschaft für sie eine wichtige Rolle, um Spitzenresultate zu erzielen.»
Konstante Temperatur
Profifahrer aus der ganzen Welt schätzen das Tissot Velodrome als Trainingsort, weil hier immer die gleichen Verhältnisse herrschen. Die Temperatur beträgt das ganze Jahr über rund 21 Grad. Dank der bestens gedämmten Gebäudehülle braucht es im Sommer eine lange Hitzeperiode, bis es in der Halle ausnahmsweise wärmer wird. «Auf eine Kühlung verzichten wir aber», so Peter Wirz. «Wegen des riesigen Luftvolumens wäre der Energiebedarf dafür zu gross.» Ein Lüftungssystem mit Messsonden überwacht hingegen dauernd die Luftqualität in der Halle. Bei Bedarf bläst es Frischluft hinein.
Geheizt wird im Tissot Velodrome mit Gas von der SWG und mit Wärme vom Nahwärmeverbund im Quartier, der mit Holzschnitzeln der Bürgergemeinde befeuert wird. Zu Buche schlägt vor allem der Energiebedarf fürs Warmwasser. Denn neben den vielen Radfahrern nutzen auch zahlreiche Berufsschülerinnen und -schüler nach ihrem Turnunterricht die Duschen.
Eigene Notstromanlage
Stromausfälle kommen in Grenchen nur selten vor. Trotzdem ist das Tissot Velodrome mit einer eigenen Notstromanlage darauf vorbereitet. So lässt sich verhindern, dass während eines Velorennens plötzlich das Licht ausgeht und die Fahrer im Dunkeln verunfallen. Für die Beleuchtung macht das Bundesamt für Sport genaue Vorgaben, weil in der Halle auch TV-Aufnahmen entstehen.
Das technische Herzstück des Tissot Velodrome ist aber eine andere Anlage: die komplexe und hochpräzise Zeitmessung. Ihre Installationen verlaufen über und unter der Bahn. Schliesslich müssen die Resultate auf die Tausendstelsekunde genau stimmen. Auch die Startmaschinen sind an die Zeitmessung gekoppelt. Die Hinterräder der Fahrer bleiben exakt so lange eingeklemmt, bis die Uhr zu laufen beginnt.
Standortmarketing für Grenchen
Mit dem neuen nationalen Stundenrekord, den Claudio Imhof am 18. September dieses Jahres erzielt hat, war das Tissot Velodrome ein weiteres Mal in zahlreichen Schweizer Medien präsent – und damit genauso die Stadt Grenchen. Geschäftsführer Peter Wirz ist denn auch überzeugt, dass sein Betrieb zum Standortmarketing der Stadt beiträgt: «Wir transportieren Grenchen in die Welt hinaus. Viele unserer internationalen Athleten und Gäste besuchen die Schweiz zum ersten Mal. Der Eindruck vom Tissot Velodrome und von Grenchen prägt ihren Gesamteindruck von unserem Land.»
Da bleibt noch die Frage: Welche Eigenschaften braucht es, um in einer Sportstätte mit internationaler Ausstrahlung zu arbeiten? «Dazu gehören Leidenschaft für den Radsport, eine hohe Flexibilität und die Bereitschaft, die vielzitierte Extrameile zu gehen», sagt Peter Wirz. «Alle Mitarbeitenden sind mit Haut und Haaren bei der Sache. Darum gibt es so wenig Wechsel im Team. Wir funktionieren gut zusammen und ergänzen uns ideal.»