1977 erhielt die Grenchner Höhlenforschergruppe den Auftrag, im Grenchenberg eine Wasserquelle ausfindig zu machen. Im Interview erzählt der damalige Taucher Urs Häni von der Exkursion und den Gefahren, die eine Höhle birgt.
Welche Erinnerungen haben Sie an diesen historischen Tauchgang im Grenchenberg?
Urs Häni: Mit Bewilligung der BLS-Bahngesellschaft und der Wasserversorgung gingen wir an einem Wochenende um halb ein Uhr morgens in den Grenchenbergtunnel. Eine kleine Türe in der Felswand führte zur Grotte mit dem See. Vor dem Tauchgang schaute ich mir durch die Maske die Beschaffenheit des Bodens an. Um keinen Staub aufzuwirbeln und die Sicht nicht zu beeinträchtigen, stieg ich ohne Flossen in den See. Vorsichtig tastete ich mich dem Gestein entlang, bis ich in etwa fünf Metern Tiefe einen Siphon entdeckte. Die schlanke Ausrüstung erlaubte es mir, durch den engen Höhlengang zu tauchen. Dahinter entdeckte ich ein zweites Becken mit einem Luftraum, in dem ich an die Oberfläche tauchen konnte. Die Schlucht wurde immer schmaler, sodass ich die letzten Meter ohne Ausrüstung zurücklegte. Die Quelle entdeckte ich schliesslich in einem etwa 30 cm breiten Felsspalt. Wegen des Zugverkehrs konnten wir die Grotte erst 30 Stunden später wieder verlassen.
Was machten Sie in dieser Zeit?
Nach dem rund zweistündigen Tauchgang erkundeten wir das Höhlensystem mit Kletterseilen und schliefen dann. Schlafsack und Uhr sind bei solchen Expeditionen wichtige Utensilien: In den meisten Höhlen – so auch im Grenchenberg – liegt die Temperatur konstant bei 12 bis 13 °C. In der Dunkelheit verliert man jegliches Zeitgefühl.
Zu welchen Erkenntnissen führte die Exkursion?
Etwa 30 Prozent der Grenchner Wasserversorgung stammt aus dem See in der Grotte. Was damals unklar war: Wo liegt die Quelle? Wie viel Wasser gibt es im Kalksteingebirge? Nach der Exkursion stand fest, dass es sich nicht um einen einzelnen See, sondern um ein System von mehreren hintereinander liegenden Gewässern handelt. Auf Basis unseres Rapports führte die Wasserversorgung gemeinsam mit der BLS zwei Monate später ein Experiment durch. Mit einem Dieselaggregat und Schläuchen pumpte die Feuerwehr Wasser aus dem Berg. Nach fünf Minuten sank der Seespiegel um einen Zentimeter, danach blieb er konstant. Das Fazit lautete: Mit dem Wasservorrat im Grenchenberg lässt sich die Stadt Grenchen im Notfall mehrere Monate lang versorgen. Dass wir mit unserem Tauchgang zu dieser wertvollen Erkenntnis beitrugen, freut mich heute noch – vierzig Jahre später.
Welche Gefahren birgt das Höhlentauchen?
Das grösste Risiko ist, die Orientierung zu verlieren. Eine weitere Gefahr stellt brüchiger Fels dar. Aber die Natur ist ein guter Architekt: Höhlen sind über viele Jahre statisch gewachsen, weshalb Steinschlag zum Glück relativ selten vorkommt. Wer sich in eine Höhle begibt, sollte sich unbedingt über die Wetterlage informieren. Zieht ein starkes Gewitter auf, kann es zu einer Gegenströmung kommen, die den Ausgang verschliesst.
Welche speziellen Sicherheitsvorkehrungen sind notwendig?
Die Ausrüstung sollte so schlank wie möglich sein, allerdings gilt das Prinzip der dreifachen Sicherheit. Wer in einer Höhle taucht, muss mindestens drei passende Lampen bei sich haben: eine, die immer brennt, eine Reservelampe und eine Reserve von der Reserve. Kein Licht zu haben, wäre fatal. Auch beim Sauerstoff gilt: In der Flasche muss mindestens das Dreifache des berechneten Luftvolumens vorhanden sein. Vor jedem Tauchgang gilt es, die gesamte Ausrüstung zu überprüfen – genau wie jedes Flugzeug vor dem Start kontrolliert wird. Entdeckt man eine fehlerhafte Komponente erst im Wasser, ist es oft zu spät.