Mit Rohr- und Kanalreinigungen sorgt die Bolliger & Co. AG dafür, dass das Abwasser immer abfliesst. Weil bei dieser Arbeit viel Schlamm zurückbleibt, hat sich das Grenchner Traditionsunternehmen längst auch zu einem Recyclingprofi entwickelt.
Ein Parkplatz in Grenchen: Auf der Zufahrt hält ein Lastwagen mit orangem Tank. Wie ein Rüssel sieht der dicke Schlauch aus, der mit dem Tank verbunden ist. Zwei Männer in gelber Arbeitskleidung springen von ihren Trittplatten ab und gehen auf den Deckel eines Strassenschachts zu. Der eine entfernt den massiven Deckel mit einer Stange. Der andere nimmt den Schlauch vom Fahrzeug, steckt ihn in den Schacht und saugt den Schlamm ab, der sich angesammelt hat. So kann Regenwasser von der Strasse wieder ungehindert durch den Schacht abfliessen. Gleichzeitig wird die Kanalisation von unerwünschtem Material entlastet.
Rund 2000 solche Schächte gibt es in Grenchen. Einmal jährlich befreien Mitarbeitende der Bolliger & Co. AG sie im Auftrag der Stadt von Schlamm. Das 1970 gegründete Unternehmen kommt immer dann zum Einsatz, wenn Rohre und Kanäle gereinigt werden müssen. Im besten Fall geschieht das wie bei den Grenchner Schächten vorsorglich und nicht erst, wenn die Rohre verstopft sind. Bei Wohnhäusern zum Beispiel empfiehlt es sich, die Abflüsse etwa alle drei Jahre durchspülen zu lassen. Das beugt Schäden und unangenehmen Gerüchen vor.
Aufträge digital erteilen
In den letzten Jahren ist die Bolliger & Co. AG stark gewachsen. 2010 zählte sie noch 19 Mitarbeitende, heute bereits 55. Zum Hauptsitz in Grenchen sind Standorte in Aarberg, Biel und Münchenbuchsee hinzugekommen. Inzwischen umfasst das Einzugsgebiet grosse Teile der Kantone Solothurn und Bern. Die gesamte Disposition läuft aber nach wie vor über das Büro in Grenchen. Dabei hat längst die Digitalisierung Einzug gehalten. In jedem Fahrzeug befindet sich ein Tablet, auf dem die Mitarbeitenden ihre nächsten Aufträge ablesen können. Die Disposition sieht immer, wo sich die Fahrzeuge gerade befinden. Kommt ein neuer Auftrag herein, weist die Disposition ihn einem Mitarbeiter in der Nähe zu. So hält das Unternehmen die Wege kurz.
Der Schweizer Markt für Kanal- und Rohrreinigungen ist überschaubar und von Traditionsunternehmen wie der Bolliger & Co. AG geprägt. Denn in dieser Branche zählt Erfahrung. «Unser Metier muss man leben», sagt Geschäftsführer Marcel Bolliger. «Wer nicht damit aufwächst, braucht lange, bis er es versteht. Deshalb arbeitet bei uns die ganze Familie im Betrieb.»
Treue Mitarbeitende
Derzeit steht im Unternehmen ein Wechsel an. Schrittweise übernimmt die nächste Generation das Zepter. Die drei neuen Führungskräfte können auf viele langjährige Mitarbeitende zählen. «Einige unserer Fachleute kennen jeden Schacht in den Gemeinden, die wir betreuen», erzählt Marcel Bolliger. «Wenn ein solcher Mitarbeiter pensioniert wird, müssen wir die Nachfolge frühzeitig regeln. Denn die Kunden schätzen Kontinuität und haben am liebsten immer die gleiche Ansprechperson.»
Geeignete Mitarbeitende zu finden, ist für die Bolliger & Co. AG keine leichte Aufgabe. Die Angestellten müssen sich rasch in viele ganz unterschiedliche Gebiete reindenken. So kommt es vor, dass sie am gleichen Tag zuerst den Abfluss einer Küche reinigen, danach in einem Industriegebäude im Einsatz sind und schliesslich noch in einer Abwasserreinigungsanlage. Ausserdem leisten alle im Team abwechselnd Pikettdienst. Etwa jeder zehnte Auftrag ist ein Notfall. Dann heisst es, auch nachts oder am Wochenende auszurücken.
Wertstoffe zurückgewinnen
Beim Reinigen von Strassenschächten und Strassen fallen grosse Mengen Schlamm und Wischgut an. Solches Material enthält unter anderem Sand, Kies und organische Stoffe wie Pflanzenreste. Die Bolliger & Co. AG erkannte früh, dass es Sinn macht, abgesaugten Schlamm in die einzelnen Komponenten zu trennen und diese wiederzuverwerten. Schon vor 20 Jahren realisierte sie die erste Recyclinganlage und gehörte damit zu den Pionieren in der Schweiz. 2014 nahm das Unternehmen eine neue Halle in Betrieb – mit einer modernen Waschanlage als Herzstück. Dort wird zusätzlich zum Schlamm aus den Strassenschächten auch das Wischgut aufbereitet.
Zurück bleiben verschiedene Wertstoffe. Sand und Kies gelangen zum Beispiel in den Strassenbau. Organisches Material und Feinschlamm werden zunächst im Treibhaus mit Sonnenenergie getrocknet. In gepresster Form dienen sie dann als Zusatzstoffe für die Zementproduktion. Das Ziel der Bolliger & Co. AG lautet, mit den Waschanlagen in Grenchen und Aarberg nahezu 100% des gesammelten Materials zu rezyklieren. «So machen wir ökologisch nochmals einen Schritt vorwärts – ganz im Sinne künftiger Generationen», sagt Marcel Bolliger. «Der Zeitpunkt dafür passt optimal, weil auch bei uns nun die nächste Generation ans Ruder kommt.»
Neue Räume bezogen
Um fürs weitere Wachstum gewappnet zu sein, hat die Bolliger & Co. AG an ihrem Standort im Süden von Grenchen zwei zusätzliche Gebäude errichtet: ein Bürogebäude und eine 2200 m2 grosse Halle. Sie ermöglicht dem Team, das bei den Reinigungen gesammelte Material noch besser zu trennen und für die eigene Aufbereitungsanlage vorzubereiten. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert Solarstrom, den das Unternehmen grösstenteils für seine Prozesse nutzt.
In Leitungen schauen
Eingewachsene Wurzeln, Rost oder Verformungen können Kanäle und Rohrleitungen stark beschädigen. Um solche Schadstellen frühzeitig zu erkennen, setzt die Bolliger & Co. AG auf das sogenannte Kanalfernsehen. Dabei fahren die Fachleute mit Hilfe einer Kamera das Kanalisationsnetz oder Rohrleitungen von Gebäuden ab. Bei Wohnhäusern lässt sich mit dem Kanalfernsehen zum Beispiel vor einem Umbau der Zustand der Abwasserleitungen ermitteln, sodass diese bei Bedarf auch gleich saniert werden.